Ausland-Schweizer 2



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Ausland  -  Schweizer

Und hier erscheinen Kommentare aus ganz persönlicher Sicht, ein Blick von uns aus auf die Schweiz, unsere Schweiz. Sie sind ebenso spontan entstanden, aus einem Erlebnis heraus, nach Wahlen, Abstim-mungen und nach Berichten aus verschiedenen Quellen.

Gut, wenn Sie der selben Meinung sind, wenn nicht, auch gut. Viel Spass!                                     ©jtw

Spaltung


Menschenmassen, auf dem Platz vor dem Bundeshaus, gehörnte Kapuzenmänner rütteln an den Barri-kaden, Sturmgeläute und Uristier, draussen die Polizisten in Vollmontur, drinnen eilen die Bundesräte in den geheimen Bunker. Echt? Nein, nur möglich.


Von anderswo aus gesehen unterliegen viele Staaten heute dem globalen "populistischen" Effekt und ha-ben trotz allem Anspruch darauf, einigermassen als Demokratien zu gelten. Auch die Schweiz ist an der Reihe; eigentlich schon lange. Protestbewegungen, die durch weit verbreitete Fehlinterpretation, unan-gebrachte Enthaltung, digitalen Kretinismus, Wut und den un-bestimmten Wunsch nach irgendwelchen Veränderungen. Ein stürmisches und unverständliches Lärmen mit Treicheln und Glocken. "Ich läute Sturm, also bin ich".


Seltsam: Wir fürchteten für unser Land immer ein Ende von Aussen her. Nun stellt sich heraus, dass feindliche Invasionen meist intern sind. Der "Feind", das heißt der Aufsässige, der Wütende, das Opfer oder der vermeintlich Ausgeschlossene, der sozial Abgehängte, ist nicht mehr „Der von anderswo", sondern es ist der Bürger seines eigenen Landes, der durch die Viralität des Internets, verweigerte Fak-ten und aus Angst vor Verlust der sozialen Sicherheit oder dem Gefühl, davon ausgeschlossen zu sein. Der "Feind" ist heute der bewaffnete Demonstrant, der wütende populistische Führer, der Gleichgültige, der nur vom Scrollen lebt. Der Eindringling kommt von zu Hause; vielleicht aus dem Appenzellischen,

aus dem Muotathal, aus dem Hinterthurgau und der Innerschweiz, jedenfalls aus ländlichen Gegenden.


Die Schweiz beschwört damit seinen spalterischen Populismus hervor. Sie kommt aus zwei, drei Rich-tungen, um genau zu sein: die Nationalisten und ihre unheimlichen Gehilfen, die uneinige Linke, Öko-freaks, überaktive Minderheiten und Mitläufer und die schweigende Mehrheit, die vielleicht tatsächlich nichts zu sagen hat oder sagen will. Der Erosionseffekt sozialer Netzwerke erreichte schliesslich eine tiefgreifende Veränderung des politischen Lebens.

Aus dieser Sicht bietet das Land oft ein Bild der Wut und Enttäuschung, auch wenn es manchmal viel-leicht sogar verständlich scheint, angesichts der Qualität des Lebens oft so unverhältnismässig ist, dass es schwierig ist, eine rationale Erklärung zu finden. Woher kommt es, dass dieses Land so viel Hass

zeigt? Es ist auch schwierig, es durch Kaufkraft, die Schwierigkeiten des Lebens oder die Gewohnheiten zu erklären. Ein leerer Raum erstreckt sich zwischen der Haltung normaler Bürgerinnen und Bürgern,

und den hasserfüllten Gesichtern von Protestierenden, exzessive Egos, geballte Fäuste und geschwenk-

te Plakate. Was passiert in unserer alten Heimat für den Beobachter aus dem Ausland?


Um das Böse zu heilen, stellen wir uns jeweils das Schlimmste vor. Zum Beispiel glaubt man, dass man rebellisch ist, nur wenn man sich die Unterwerfung anderer vorstellt. Träumt man davon, vermeintliche „Herrscher“ abzusetzen, indem man vorschlägt, sie durch ein absoluteres Diktat des Egos zu ersetzen, schlägt man Gerechtigkeit nur vor, indem man sie zuerst ablehnt? Gewaltiger Hass, ohne Mass und Ziel, der seinen möglichen Grund übersteigt, nimmt das Ausmass einer alten geheimen Geschichte von Clans an, eines Unbewussten, das reflektiert.
Wir wissen, dass es der Schweiz gut geht und dass sie wohl widerwillig, doch trotzdem Teil einer Welt ist, die schlecht läuft; aber es gibt einen mit Absicht genährten Groll, der den echten politischen Wettbewerb ausschliesst. Ein Verlangen nach Vergeltung, ein Hass auf Andersdenkende, der uns glauben lässt, dass wir nicht mehr in der Politik sind. Erstaunlich für ein Land, das scheinbar die direkte Demokratie erfunden hat.


Um in dieser Chronik konkret zu sein, siegreich oder besiegt, werden die hier explizit nicht genannten politischen Kräfte ein geteiltes Land hinterlassen, das sie teilen und gegen sein eigenes erheben wollten. Und man wird wieder zum Dreigestirn der Demokratie zurückfinden müssen: Rechte, Pflichten und persönliche Verantwortung.
07/22